Das Lächeln

Es geschah am Heiligabend. Luca und Giulia, soeben von der heiligen Mitternachtsmesse die sie mit ihren Eltern besucht hatten zurückgekehrt, packten eifrig die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum aus… sie waren sehr aufgeregt, dank der wunderschönen Gaben die sie erhalten hatten.

«Oh, es scheint mir, dass Marco weint…», sagte die Mutter. Alle blieben still und klar konnte man die Schluchzer des Kindes hören die vom Kinderzimmer kamen.

«Wir waren es wohl die ihn aufgeweckt haben, es tut mir Leid…», entschuldigte sich Luca.

«Mach dir keine Sorgen, Marco ist so müde, dass er nicht schlafen kann», beruhigte ihn die Mutter. «Vielleicht spürt auch er das Weihnachten: ich gehe ihn gleich holen damit er mit uns feiern kann!».

«Wunderbar! Das ist sein erstes Weihnachten…! Wer weiss, wie viele Weihnachten ihr wohl zusammen verbracht habt!», wendete sich Giulia an ihre Grosseltern. Die beiden schauten sich mit ernstem Blick an, als würden sie nachrechnen, und dann… begannen sie zu lachen: «Ah, viele, sehr viele… und wir versichern dir: einer schöner als der andere!», antwortete die Grossmutter mit einem grossen Lächeln während sie stolz die Hand des Grossvaters hielt.

Die Mutter kehrte mit dem kleinen Sohn im Arm zurück: Marco war nur zwei Monate alt, hatte ein süsses Gesichtchen und zwei Augen voller Tränen... Die Wärme und die Lichter im Raum beruhigten ihn und neugierig schaute er sich um. Den Kopf hin und her wackelnd, begegnete er dem Blick der Gorssmutter. Der Neugeborene beobachtete sie scharf, machte einige kleine Verse und dann… lächelte er ihr strahlend zu! Wie süss er doch war…

«Du bist immer noch so faszinierend…», lachte der Vater und zwinkerte der Grossmutter, seiner Mutter, zu. «Es scheint du hast ihn erobert! Dies ist sein erstes Lächeln».

«Du hast Recht!» bestätigte glücklich die Mutter. «Bis heute hat er nur kleine Grimassen gezogen. Und schaut ihn euch jetzt an: er lächelt und es scheint als wolle er uns etwas sagen…!».

«Stimmt…! Komm, Grossvater, du kennst doch so viele schöne Geschichten… erzähle uns eine!» bettelte Luca. Er liebte seinen Grossvater und seine Geschichten, und schmeichelnd fuhr er fort: «Vielleicht… wird dann Marco auch für dich lächeln!».

«Ist gut, ist gut! Du weisst, dass mache ich sehr gerne», erwiderte er nachgiebig. «Marco hat mich an eine Geschichte erinnert, die ich euch noch nicht erzählt habe: ich werde euch erzählen, wie das Lächeln zustande kam...:

Eines Tages fühlte sich Gott einsam... und so begann er das Universum zu erschaffen und, wie alle wissen, in sieben Tagen erschuf er den Himmel, die Engel, Die Sonne, die Sterne, die Berge, die Meere, die Tiere und den Menschen. Adam, eben...».

«Adam war der Grossvater des Grossvaters deines Grossvaters, stimmt doch, Grossvater...? das habe ich in der Schule gelernt!», unterbrach ihn Giulia.

«Ja! Er war der erste Grossvater von Allen! Aber lass ihn nun weiterfahren...», forderte sie die Mutter auf.

«Adam war glücklich und zufrieden im Paradies zu leben: er spazierte über die grünen Wiesen und beobachtete die Tiere, oder er spielte sogar Fussball mit den Engelchen... Eines Tages, aber, bevor er zu Bett ging, in einer hellen und strahlenden Nacht, ging er zum kleinen See um sich zu waschen und sah das Spiegelbild des Mondes im Wasser… während er sein Gesicht nässte, sah er zum ersten Mal sein eigenes Spiegelbild und er wurde traurig. Gott, der ihn vom Himmel sah, fragte ihn: - Was hast du, Adam... warum bist du verwirrt und traurig?

- Ach, mein Gott! Ich bin ein wenig enttäuscht... Du sagtest mir, ich wurde deinem Ebenbild gleich erschaffen, jetzt aber habe ich gesehen, dass ich ganz anders bin als du! Du bist sehr viel grösser, strahlender! Und dann... -, zögerte er einen Moment und fuhr fort: - Du hast keinen Kopf, zwei Arme und zwei Beine,  wie ich. Es scheint mir du ähnelst eher der Sonne… warum aber hast du mich angelogen?

- Komm, Adam, du wirst doch nicht an mir zweifeln? -, antwortete ihm Gott mit ernster Stimme, und während er zu ihm sprach stieg er zur Erde hinunter und verwandelte sich in Mensch, - du solltest wissen, dass ich alles sein kann, vom Mond zur Sonne, von den Bergen zu den Bäumen und daher… wie jetzt, auch ein Mensch... Als ich dir sagte du seiest mein Ebenbild, meinte ich nicht im äusserlichen Aspekt, aber in deinem Inneren… in deinen Gefühlen, in deiner Lebensfreude und deinen Gedanken… verstehst du mich nun, Adam…?

Adam überlegte einen Moment, dann sagte er: - Jetzt, ja! Auch du spürst wie ich die Traurigkeit und die Heiterkeit, wie ich denkst du und betrachtest du das Universum! Ich denke ich habe dich enttäuscht, entschuldige mich… -, sagte Adam traurig, weil er es nicht gleich verstanden hatte…

- Denke nicht zu sehr darüber nach... aber sei glücklich und lächle dem Leben, denn es ist wunderschön zu leben! -, beruhigte ihn Gott mit einem bezaubernden Lächeln: sein erstes Lächeln von Mensch zu Mensch, und von seinen Lippen und seinem Gesicht sprühten grosse Heiterkeit und Sanftheit, die ihn alle Sorgen die er hatte vergessen liessen. Dann, in den Himmel wieder aufsteigend, wurde er immer grösser und strahlender… Adam, der von seinem Lächeln bezaubert war, spürte das verlangen selbst zu lächeln: er versuchte es, aber… es gelang ihm nicht! Er hatte es noch nie zuvor versucht…

- Ach Adam, höre auf zu zweifeln! -, sagte ihm Gott. - Es funktioniert nicht indem zu mich nachzuahmen versuchst! Das schönste Lächeln kommt vom Herzen und deinen tiefsten Gefühlen und Emotionen… es ist ein Moment der Sorglosigkeit und Spontaneität in welchem du Enttäuschungen und böse Gedanken vergisst! Ach, Adam, wenn du mich nur imitierst, hast du nur eine Bewegung der Lippen, aber keine wahre Freude. Habe noch ein wenig Geduld… du wirst sehen, morgen schon wirst du lernen zu lächeln!».

«Es stimmt! Alle sollten lächeln und nie böse werden!», sagte Giulia.

«Du hast Recht Giulia... aber lass den Grossvater weiterfahren. Ich bin neugierig zu erfahren wie Adam gelernt hat zu lächeln», erwiderte der Vater.

Der Grossvater fuhr fort:

«Nach diesen Worten, fühlte sich Adam erleichtert und glücklich und voller Hoffnung schlief er ein.

Am nächsten Morgen, wachte Adam vom süssen Zwitschern der Vögel, vom leichten rauschen des Flusses und von einem sanften Streicheln im Gesicht auf. Er öffnete die Augen… und mit grossem Erstaunen sah er eine wunderschöne Kreatur mit langen braunen Haaren, ähnlich einem Engel. Er blieb ohne Worte und letztendlich fragte er ängstlich: - Aber… aber... wer bist du?

- Guten Morgen Adam... ich heisse Eva -, antwortete ihm die wunderschöne Kreatur... und… lächelte ihm zu.

«Ah, Eva war Adams Frau! Und Gott erschuf sie aus einem Knochen Adams », sagte Luca, stolz, dass er die Geschichte kannte.

«Ach komm, Luca. Wir wissen, dass du vieles weisst. Es stimmt: Eva wurde von einer Rippe Adams erschaffen…», korrigierte ihn der Vater.

«Nein! In dieser Geschichte ging es nicht so! Lasst mich weiterfahren und ihr werdet schon sehen…», fuhr der Grossvater fort:

«- Ich bin Eva! Ich war ein Engel... und Gott hat mich gefragt ob ich dir Gesellschaft leisten wolle, da du dich oft alleine und nachdenklich fühlst! Ich habe sofort zugestimmt und so, heut Nacht, dank einer deiner Rippen, wurde ich in die verwandelt die du nun siehst… Ich bin glücklich hier mit dir zu sein… aber ich habe ein wenig Angst…

Eva näherte sich dem noch immer liegenden Adam der sie ungläubig anstarrte und gab ihm ein Küsschen auf die Stirne. Dann schaute sie ihm in die Augen und lächelte ihn voller Liebe und Zuneigung an.

- Oh Eva... hab keine Angst! Befürchte nicht meine Lebensgefährtin zu sein, ich werde dich beschützen und werde immer für dich sorgen... -, beruhigte sie Adam, dann berührte er sich an den Lippen und mit grosser Freude merkte er, dass auch er… lächelte!

An jenem Morgen dankte Adam Gott für die beiden unglaublich schönen Gaben: das Lächeln und die Frau».

«Welch schöne Geschichte…», riefen alle aus.

«Also ist es Gott der uns das Lächeln beigebracht hat! Danach, aber… ist Er noch einmal unter die Menschen gekommen?», fragte Giulia.

«Natürlich!», bestätigte der Vater. «Jedes Weihnachten bringt das Jesuskind, welcher Gott ist in Menschengestalt, die Seligkeit die wir alle brauchen».

Der Grossvater schaute zu Marco um zu sehen ob er ihn anlächelte, aber das Kind war in den Armen seiner Mutter eingeschlafen. Dann näherte er sich dem Kleinen und gab ihm ein Küsschen auf die Stirne und beobachtete das ruhige Gesicht das zu lächeln schien. Dann sagte er:

«Wie Marco, besitzt jedes Kind die Unschuld und dieses spontane Lächeln. Das Lächeln ist eine grosse Gabe und wir alle müssen uns gegenseitig helfen um es so lange als möglich zu wahren. Frohe Weihnachten an alle!».

 

 

Giuseppe Veronese

 

 

Übersetzung: Anna Veronese

 

 

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